Das Umfeld der Schweizer Spitäler hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Verschiedene Trends wie die demografische Entwicklung (Alterung der Bevölkerung), der medizinische und technologische Fortschritt, die Spezialisierung in der Medizin und der damit einhergehende und zunehmende Fachkräftemangel erschweren insbesondere in kleineren Spitälern zunehmend eine qualitativ gute und sichere Leistungserbringung. Daneben verschärfen nicht kostendeckende Tarife und regulatorische Vorgaben zur Leistungserbringung (ambulant vor stationär) die finanzielle Situation.

Zudem steigen die Anforderungen an die Qualität ständig. Die Qualität der Spitalleistungen ist das entscheidende Element einer sicheren Gesundheitsversorgung. Verschiedene Leistungen dürfen Spitäler nur noch erbringen, wenn sie hierfür Mindestfallzahlen (insbesondere eine Mindestmenge derselben Operation je Jahr) nachweisen können. Erfahrungsgemäss steigt mit zunehmenden Fallzahlen die Qualität. Ausserdem braucht ein Spitalbetrieb eine gewisse Mindestgrösse, um die Anwesenheit von Fachpersonal rund um die Uhr, die Verfügbarkeit von spezialisierten medizintechnischen Einrichtungen oder die Erfüllung fachspezifischer Zertifizierungsanforderungen garantieren zu können.

Heutige Strukturen nicht mehr zukunftsfähig

Die beschriebenen Trends im Gesundheitswesen bringen die bisherigen Strukturen der St.Galler Spitalverbunde zusehends an ihre Grenzen. Das dezentrale Versorgungssystem mit mehreren kleinen Spitälern ist immer weniger in der Lage, mit den neuen Anforderungen Schritt zu halten. Ohne Anpassung der Anzahl der Spitalstandorte wird es immer schwieriger, an den kleinen Spitalstandorten einen ordentlichen Betrieb mit einem sicheren Dienst- und Notfallbetrieb rund um die Uhr sicherzustellen.

Für das Jahr 2021 erwarten die Spitalverbunde ein Defizit von 42,3 Millionen Franken. Ohne Gegenmassnahmen werden die Verluste der Spitalverbunde in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Diese Lücke kann – bei Beibehaltung der bisherigen Strukturen – mit Betriebsoptimierungen und Effizienzsteigerungen nicht mehr geschlossen werden. Die Folgen wären ein rascher Abbau des Eigenkapitals, eine Zunahme der Verschuldung, Liquiditätsengpässe und eine zusehends stärkere finanzielle Beteiligung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Regierung und Kantonsrat empfehlen Weiterentwicklung

An einer Konzentration der Spitalstrukturen führt deshalb aus Sicht von Regierung und Kantonsrat kein Weg vorbei. Die stationären Leistungen werden am Kantonsspital St.Gallen, am Spital Grabs, am Spital Linth in Uznach und am Spital Wil konzentriert. Am Spital Walenstadt wird das stationäre Angebot ebenfalls weitergeführt, dies jedoch verbunden mit einem Auftrag an die Regierung, bis Ende 2022 in Zusammenarbeit mit den Kantonsspitälern Graubünden und Glarus Möglichkeiten zur Zukunft des Standorts Walenstadt aufzuzeigen. Durch die Konzentration der stationären Leistungen erhöhen sich an den Standorten St.Gallen, Grabs, Uznach und Wil die Fallzahlen und die Auslastung.

Die bisherigen Spitalstandorte Rorschach, Altstätten, Wattwil und Flawil werden in regionale Gesundheits- und Notfallzentren (GNZ) umgewandelt und bieten ambulante Leistungen an. Dank dem medizinischen und technologischen Fortschritt können immer mehr medizinische Leistungen ambulant erbracht werden. Die GNZ sollen je nach Bedarf auch über ein Notfallangebot verfügen, das mit einem kleinen Bettenangebot für Kurzaufenthalte ergänzt werden kann. Das Angebot an den GNZ wird in Zusammenarbeit mit den frei praktizierenden Ärztinnen und Ärzten auf den Bedarf der Region ausgerichtet. Die Spitalverbunde bieten an den GNZ – sofern ein Bedarf vorhanden ist – ergänzend zu den frei praktizierenden Ärztinnen und Ärzten Leistungen an. Der Kanton unterstützt das Notfallangebot der GNZ mit jährlichen Beiträgen.

Die Rettungsdienste und die dezentralen Rettungsstützpunkte sind von den Strategiebeschlüssen des Kantonsrates nicht betroffen, da sie losgelöst von den Spitalstandorten organisiert sind. Damit ist weiterhin sichergestellt, dass die Rettungsdienste in 90 Prozent der Fälle einen Einsatzort innert 15 Minuten nach Eingang eines Notrufs erreichen.

Weiternutzung der Spitalimmobilie in Wattwil wäre sichergestellt

Für den bisherigen Standort Wattwil wird die Umwandlung in ein Gesundheits-, Notfall- und Kompetenzzentrum für spezialisierte Pflege (GNP) angestrebt. Mögliche Betreiberin einer solchen Lösung ist die Solviva AG, die in der Schweiz mehrere Pflegeeinrichtungen betreibt, sich im Bereich der Spezialpflege engagiert und bereits über Erfahrung in der Umwandlung von Spitälern in Gesundheitszentren verfügt. Die Spitalregion Fürstenland Toggenburg (SRFT) würde – abgestimmt auf das Angebot und den Bedarf der frei praktizierenden Ärztinnen und Ärzte – weiterhin mit einem umfangreichen ambulanten Leistungsangebot und dem Betrieb eines Notfallzentrums in Wattwil tätig bleiben.

Zusammen mit weiteren Partnerorganisationen würde die Spitalimmobilie vollständig weiter genutzt. Voraussetzung dafür ist Zustimmung der Stimmbevölkerung zum Nachtrag zum Kantonsratsbeschluss über die Erneuerung und Erweiterung des Spitals Wattwil und die Unterstützung der vorgeschlagenen Lösung durch die Standortgemeinde.

Abstimmungsvorlagen vom 13. Juni 2021

Der Kantonsrat hat die Weiterentwicklung der Strategie der St.Galler Spitalverbunde mit einer Drei-Viertel-Mehrheit gutgeheissen. Über drei Beschlüsse kann die Stimmbevölkerung abschliessend entscheiden. Diese lauten:

  • Kantonsratsbeschluss über die Erhöhung des Eigenkapitals der Spitalregion Fürstenland Toggenburg in Form einer Bareinlage und einer Umwandlung von Kontokorrent-Darlehen
  • Kantonsratsbeschluss über die Gewährung von Beiträgen für die Notfallversorgung
  • Nachtrag zum Kantonsratsbeschluss über die Erneuerung und Erweiterung des Spitals Wattwil

Mit der Zustimmung zu diesen Vorlagen ermöglicht die Stimmbevölkerung, die Zukunft der öffentlichen Spitäler im Kanton St.Gallen mit der neuen Strategie zu sichern.